Auf dem Westweg und Querweg von Pforzheim nach Freiburg

Nach langem hin und her steht es jetzt endgültig fest:

Es geht im Mai 2015 zum Wandern definitiv NICHT nach Schottland, sondern auf dem Westweg und dem Querweg von Pforzheim nach Freiburg.
Diese Strecke, auch als der „Schwarzwald-Höhenweg“ bekannt, spukt schon lange in meinem Hinterkopf herum. Jetzt ist es also soweit!

Die Quartiere stehen fest und sind gebucht (naja, fast …) und die Kartographie läuft auf vollen Touren!

Am 10. Mai soll es losgehen !
Etwa 230 km in 11 Tagen stehen auf dem Programm, aber dazu kommen noch … hm … ja … wieviele Höhenmeter sind das denn nun? Ich schätze mal so 7500. In ein paar Wochen weiß ich es genauer, dann sollte die Software ein halbwegs zuverlässiges Ergebnis liefern.


Morgen geht es los !

9. Mai 2015

Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Morgen breche ich tatsächlich auf zu meiner Tour über den Höhenkamm des Schwarzwalds.

Mein Plan … traditionell, wie immer:

Erst einmal ein ausgiebiges Frühstück beim „Willi“, mein Lieblingswirt hier in Ziemetshausen. Anschließend dann mit meinem ganz persönlichen „Taxi“ (Heike frühstückt mit und fährt mich dann nach Dinkelscherben) zum Bahnhof. Und dann mit dem Zug über Ulm und Stuttgart nach Pforzheim.

Mein kleines Problem: Herr Weselsky! Die Bahn streikt mal wieder und deshalb könnte die Anreise nach Pforzheim etwas länger dauern, als geplant. Was soll’s … ich hab morgen ja keinen Termin. Und überhaupt hab ich Urlaub!

Jetzt noch ein letztes Weizen bei meinem zweiten Lieblingswirt  Jovi.  Morgen gibt es den ersten Reisebericht!

Die Route:


Anreise nach Pforzheim und erste kurze Etappe

10. Mai 2015 – von Pforzheim nach Sonnenberg

Entgegen allen Befürchtungen scheinen meine gebuchten Züge alle zu fahren – und zwar pünktlich wie die Eisenbahn! So stell‘ ich mir den Auftakt zu einem Urlaub vor!

An dieser Stelle einen ganz herzlichen Gruß an meine Freunde vom Gasthof Adler in Ziemetshausen, die mir mit einem sehr leckeren Frühstück einen perfekten Start in den Tag ermöglicht haben, und vielen lieben Dank an Heike für den Shuttle-Service zum Bahnhof!

Nahezu pünktlich um 14:20 in Pforzheim angekommen. Die eigentlich geplante kleine Besichtigung der Innenstadt habe ich bleiben lassen. Selten so was hässliches wie Pforzheim gesehen.

Also durch und raus zum „Kupferhammer“ am Zusammenfluss von Würm und Nagold. Ein wunderschönes Fleckchen, an dem der Westweg offiziell beginnt. Und es gibt dort einen genauso wunderschönen Biergarten! 😉

Ich investierte also die durch die ausgefallene Stadtbesichtigung gesparte Zeit in ein Hefeweizen und einen Wurstsalat und mache mich nach einer Stunde durch die „Goldene Pforte“ auf den Weg zu meinem ersten Quartier im Vorort Sonnenberg.

Keine Frage, der Schwarzwald beginnt tatsächlich direkt an der Stadtgrenze von Pforzheim und begrüßt mich gleich mal mit einem saftigen Anstieg … na, das kann ja heiter werden!

Punkt 17:00 bin ich am Quartier in Sonnenberg, kurze Dusche, und wieder ab in den hauseigenen Biergarten. Der Wirt empfiehlt den Kalbsrahmbraten – sehr zu recht!

So richtig geht es erst morgen früh los, aber immerhin: 6 km sind schon geschafft!


2. Etappe

11.Mai 2015 – von Sonnenberg nach Dobel

Also, daheim würde ich NIEMALS freiwillig so früh aufstehen. Aber heute war ich doch tatsächlich ohne Wecker schon weit vor 7 Uhr wach, und noch vor 8 Uhr beim Frühstück. Die Neugier auf die erste „echte“ Etappe war zu stark.

21 km von Sonnenberg nach Dobel stehen auf dem Tagesprogramm, und so breche ich voller Tatendrang um halb neun auf.
Um mich dann zu wundern. Der Weg führt tatsächlich bergab! Seltsam, denke ich mir, aber der Blick auf die Karte bestätigt es. Saudumm, denke ich mir. Dobel liegt ja mit 700m deutlich höher als Sonnenberg mit 340m, und das bedeutet, daß ich den lockeren Start später bitter büßen werden muß …

Es geht also durch den Wald nach unten, über die „spektakuläre“ Grosselbachfurt (es gibt hier tatsächlich keine Brücke über den Bach, in mir kommt ein Hauch von Schottland-Feeling auf!). Spätestens am ersten Anstieg hinauf zur Burg Neuenbürg wird mir ganz handfest klar, daß der Abstieg ganz am Anfang wirklich Mist war. Also, rauf da!

Oben eine Zigarette zur Belohnung, etwas die Aussicht über das tief unter mir im Tal liegende Städtchen genießen, etwas über die weitere Richtung orientieren, und schon wird mir klar: Ja, ich muß da runter. Ganz runter! Und dann gegenüber am Hang wieder rauf. Ganz rauf!

Doch einmal oben (schnauf, schwitz, fluch, …) geht es wieder locker voran, bis hinter der Schwanner Warte der nächste, aber auch letzte Anstieg vor Dobel noch einmal die Kräfte fordert. Immerhin: Ich bin immer noch zweibeinig unterwegs, die Lekis bleiben am Rucksack. Morgen werde ich das aber wohl ändern … 😉

Nach der Ankunft im Gasthof Linde erst mal duschen, noch ein paar kleine Einkäufe, und seit 18:00 widme ich mich mit vollem Einsatz der Speisekarte!

Morgen steht eine noch längere Etappe an, mit noch mehr Höhenmetern, aber ich merke schon, daß ich so langsam meinen Rhythmus finde. Es dauert immer ein paar Tage, bis sich mein sprichwörtliches Büffeltempo automatisiert und gegen die eigene Neugier durchsetzt!

So, und jetzt zum Dessertgang! *schleck*


3. Etappe

12. Mai 2015 – von Dobel nach Forbach

Uff ! Doppel-Uff !!!

Also, Kilometer sind ja eine Sache, Höhenmeter eine andere, und beides in Kombination ist anstrengend. Mehr aber auch nicht.
Was die Sache zur Herausforderung macht, sind Temperaturen jenseits von Gut und Böse in Kombination mit oft wenig Schatten …
Heilige Götter, was hab ich geschwitzt! Hab unterwegs in mich reingeschüttet was ging, und war trotzdem auf insgesamt 28 km nicht einmal pinkeln!

OK, der Reihe nach:

Habe prächtig geschlafen. Frühstück um acht Uhr, und ich bin allein! Dabei waren doch gestern Abend noch so viele Hausgäste unten in der Stube im Gasthof Linde in Dobel! Die Wirtin zwinkert und sagt: „Sie sind der einzige, der zum Urlaub hier ist, die anderen schaffen schon längst! Der erste war schon vor sechs beim Frühstück.“

Brrr. Was für eine grausige Vorstellung!

08:45 und ich marschiere auch los. Die Sonne lacht, ich bin voller Tatendrang, aber der Rhythmus wird stabiler. Ruhig, kein Gerenne, auch wenn heute mit 28 km die längste Etappe der ganzen Wanderung ansteht, ich hab ja Zeit. Naja, fast. Ab dem späten Nachmittag soll es Gewitter geben, es wäre nicht schlecht, wenn ich am Tagesziel  in Forbach wäre, bevor das losbricht.

Kaum raus aus Dobel verschluckt mich der Schwarzwald. Wörtlich! Bäume, Bäume, Bäume, und nochmal Bäume. Erst noch fast eben, dann geht es bergauf. Und je später es wird, umso wärmer wird es, und umso weniger Schatten gibt es. Orkan Lothar hat hier auf den Höhen des Schwarzwalds volle Arbeit geleistet und die Wälder in weiten Gebieten vollständig rasiert. Alles ist zwar wieder aufgeforstet, aber sooo schnell wachsen die grünen Schattenspender ja nun auch nicht …
Der Vorteil: Atemberaubende Blicke in die Täler, sogar über das ganze Rheintal, hinter dem sich verschwommen die Vogesen im Dunst abzeichnen.

Cool ! Einzigartig ! Grandios !

Mittags wird die Hitze und die brennende Sonne zunehmend unerträglich, dabei geht es immer noch bergauf. Aber mir geht es ja noch gut dabei! Die paar Verrückten, die hier auf dem Weg mit dem Fahrrad unterwegs sind, haben da ganz andere Probleme …

Zwischenstop an einer Quelle, kleiner Snack, Wasserflaschen auffüllen, und weiter zum Kaltenbronn. Fast bin ich oben, schon auf 830 Meter!

„Hier oben ist es immer einen Kittel kälter“, so sagen die Einheimischen. Durchaus. Aber immer noch zu warm. Ich bin eher in Versuchung, auch noch das T-Shirt auszuziehen …
Hier oben steht aber auch ein kleines Gasthaus, also ab in den Biergarten!
Ich bestelle mir ganz weltmännisch ein „Weizenradler“, weil die Badenser ja meistens kein ausländisch verstehen, und deshalb keine Ahnung haben, was ein „Russ“ ist. Ja von wegen!

Die Bedienung sagt: „Derfst ruhig Russ sogn, i bin a a Bayer, i kimm vo Cham. Hob scho g’hert, daß’d a Augsburger bist. Am bestn bring i Dir glei zwoa, oans roacht eh ned, so wia’d ausschaugst!“
Wie könnt ich da widersprechen ?!?

Nach dieser Wohltat auf zum letzten kurzen Anstieg (grad mal 150 Hm, pah!) zum Kaiser-Wilhelm-Turm auf dem höchsten Punkt des Hohloh. Eigentlich hab ich nicht die geringste Lust, da jetzt auf noch raufzusteigen, obwohl der Rundblick wohl vielversprechend ist. Vom Fuß des Turms aus sieht man ja nichts, weil er im Wald steht.

Ein Blick auf den Höhenmesser, und es ist alles klar! Ich stehe hier auf 985 Meter, der Turm ist 25 Meter hoch … NICHTS WIE RAUF !!!
Den schweren Trekking-Rucksack lasse ich unten stehen (ist ja eine ehrliche Gegend hier), und so hab ich heute schon meinen ersten „Tausender“ bestiegen! Cool !!! Und die Aussicht belohnt mich mehr als gerecht für die paar Meter mehr!

Aber jetzt … Abmarsch! Runter! Fast 700 Höhenmeter muß ich auf den 8 km bis nach Forbach abbauen, das ist kein Spaß!
Erst geht es noch gemächlich bergab, dann immer steiler, und noch steiler, und als ich das erste Mal Forbach von oben sehe, hab ich das Gefühl, es liegt senkrecht unter mir. Fast, als könnt ich reinhüpfen in dieses Modellbahnstädtchen, so nah vor mir aber immer noch 350 Meter tiefer. Noch steiler. Die Lekis im Volleinsatz!

17:30 in Forbach. Direkt am Weg ein Supermarkt. Dringende Einkäufe: Zwei Flaschen Apfelschorle, vier Schachteln Zigaretten für die nächsten Tage. Die Getränke überleben den Weg auf dem Fließband an der Kasse nicht, und die Kassiererin zieht die leeren Flaschen über den Scanner mit einem Grinsen und den Worten: „Westweg, gell ?“

Ja ! Und wie !!!

Dabei fällt mir auf, wie patschnaß ich bin. Als wäre ich in die Murg gefallen! Kein trockener Faden am Leib! Und trotzdem: Was für ein wunderschöner Tag !!!

Morgen wird es kürzer, dafür aber steiler. Hoffentlich kühler …

P.s.: Das Gewitter blieb aus. Wahrscheinlich war es ihm auch zu heiß …


4. Etappe

13. Mai 2015 – von Forbach nach Unterstmatt

Was für ein grandioser Tag! Wenn auch wieder ziemlich anstrengend, aber mein Rhythmus hat sich eingependelt, und damit ist jetzt alles machbar!

Frau Wunsch, die Inhaberin der gleichnamigen Privatpension in Forbach, zaubert mir um 08:00 ein hervorragendes Frühstück, wo ich auch das schweizer Ehepaar wieder treffe, denen ich gestern einmal auf dem Weg, und einmal beim Abendessen im Gasthof Adler (!) begegnet bin. Die beiden laufen den Westweg bis Titisee … wir werden uns wohl noch öfters sehen !

08:45 Abmarsch – steil und laaang bergauf. Das ist aber kein Fehler, denn jetzt ist es noch halbwegs kühl und bis zum Ziel werden 1097 Hm auf dem Höhenmesser stehen. Jeder einzelne, der möglichst früh „abgearbeitet“ ist, kann da nur ein Vorteil sein.

Wieder geht es schnell tief hinein in den Wald, der Weg ist eine abwechslungsreiche Mischung vom gut ausgebauten Forstweg bis zu halsbrecherischen Knorzenpfaden, über denen auch noch Bäume quer liegen.

Die Sturmwürfe der letzten Jahre und Jahrzehnte haben wieder Vor- und Nachteile für mich: Grandiose Ausblicke über den Schwarzwald, über das Rheintal und bis hinüber in die Vogesen streiten mit dem Bedürfnis, der sengenden Sonne zu entkommen.

Genau am Mittag habe ich meinen ersten „echten“ Tausender erreicht, den Seekopf auf 1001 Metern. Eine Stunde später den zweiten, die Badener Höhe. Grindenschwarzwald vom Feinsten! Keine Bäume, nur Farne, Büsche, Latschenkiefern, und immer wieder unbeschreibliche Ausblicke.

Auf der Badener Höhe steht der Friedrichsturm. Pflichtprogramm natürlich, wer würde die paar lächerlichen Hm scheuen? Also rauf. Es bläst ganz ordentlich hier oben, aber das Panorama ist nicht zu beschreiben. Fast auf gleicher Höhe sehe ich schon die Hornisgrinde, den höchsten Berg des Nordschwarzwalds und mein erstes Zwischenziel für morgen. Wenn nur das tiefe Tal dazwischen nicht wäre …

Und … wie schon prophezeit … unten vor dem Turm liegen die Schweizer im Gras und machen Picnic ! Hab ich doch recht gehabt … 😉

Der Himmel macht mir etwas Sorgen mittlerweile. Nicht gerade akut, aber es bauen sich so einige Türme auf im Westen, das heißt nichts gutes. Ist ja auch kein Wunder, bei der Wetterlage.
Also weiter, erst mal wieder runter … und dann wieder rauf auf den nächsten Tausender, den Hochkopf! Er ist zwar ähnlich wie die anderen (ja mei, Grindenschwarzwald halt), aber irgendwie doch wieder ganz anders. Und ein Konzert von Vogelgezwitscher, das ich so noch selten erlebt habe.

Und jetzt runter nach Unterstmatt, dann noch zwei Kilometer über einen hundsmiserablen Knorzenpfad wieder hinauf bis zu meinem heutigen Quartier im Wanderheim Ochsenstall. Ein echter Geheimtip! Völlig abgelegen und mit dem Auto legal eigentlich gar nicht anfahrbar. „Eigentlich“ heißt: Der ältere Herr, der mich da vor dem Eingang mit einem Weizen in der Hand begrüßt ist mein Dad!
Wir haben ausgemacht, daß wir uns mal treffen auf dem Weg, und so ist er von Sonthofen hierher gefahren, nur ich war mir bis zum Schluß nicht sicher, ob er es mit dem Auto auch bis zum Ochsenstall schafft. Und telefonisch absichern ging auch nicht … das Handynetz hat hier auf dem Schwarzwald-Hauptkamm ungefähr die gleiche Zuverlässigkeit und Abdeckung, wie in Nordschottland … 😉

Wir trinken einen zusammen, dann muß ich erst mal unter die Dusche. Und mein Dad muß wieder runter nach Unterstmatt, bevor da jemand dummsinnigerweise die Schranke zumacht …
Morgen Abend treffen wir uns wieder im Hotel Zuflucht, wo auch ich mein Quartier habe.

Mittlerweile hab ich meine Kässpätzle reingeschaufelt, und von dem großen erwarteten Gewitter kommen nur ein paar leichte Schauer. Fast zu wenig, für meinen Geschmack …

Morgen … ? Ach, wir werden sehen … 😉


5. Etappe

14. Mai 2015 – von Unterstmatt zur Zuflucht

„Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust !“ (Goethe)

Heut ging es mir genauso. Sehr gegensätzliche Eindrücke sind das, die da in mir streiten.

Um kurz nach sieben bin ich wach, mal schnell ins Bad, ab nach draußen. Dort treffe ich zum einen den stöckchensüchtigen Hund wieder, der definitiv NIE müde wird, und meinen Gesprächspartner vom gestrigen (sehr langen …) Abend, Sebastian. Er ist auch auf dem Westweg unterwegs. Ab zum Frühstück. Fällt heute bei mir sehr mager aus. Wer mich kennt, der kennt das. Manchmal kann ich reinschaufeln wie ein Stier, manchmal ist mir eine Semmel schon zu viel. Heute war das zweite der Fall. Wenn ich das nur steuern könnte!

09:00 Abmarsch. Verabschiedung von Sebastian, ich denke, wir werden uns schon nochmal sehen auf dem Weg. Erst mal wieder bergauf natürlich, aber es sind nur zwei km bis zur Hornisgrinde, dem höchsten Gipfel des Nordschwarzwalds. Wieder diese einzigartige Grindenlandschaft, an die ich mich schon so gewöhnt habe. Und ganz oben ein völlig wirres Sammelsurium von Türmen, Sendemasten, Windrädern, eine konfuse Sammlung von Bauwerken aus drei Jahrhunderten. Und wieder ein atemberaubender Ausblick auf kleine und große Täler, einschließlich dem Rheintal. Wie oft bin ich schon weit da unten auf der A5 Richtung Freiburg gefahren und hab raufgeschaut! Heute ist es endlich anders herum!

Es regnet leicht, die Jacke und die Schirmkappe reichen aber vollkommen aus. Und endlich angenehme Temperaturen! Leider ist der Himmel grau, aber der Blick von OBEN auf die dicken Wolkenfetzen in den Tälern ist einzigartig.

Ab nach unten zum Mummelsee. Das war wohl einmal ein wunderschönes Fleckchen Erde. Abgelegen, mystisch, verträumt. Heute läuft da die Schwarzwald-Hochstraße vorbei, ein riesiger Parkplatz bietet Raum für eine Armada von Reisebussen, die Schwärme von Touristen ausspucken, welche sich dann in den Läden um den See mit „Original Black Forrest Cuckoo Clocks“ eindecken, oder sich auf der Terrasse einen Cappuccino gönnen … für 5,80 €. Dollars accepted. Klar!

Ich flüchte! Nur weg hier! Wollte man eine Karikatur des dummsinnigen Pauschaltourismus erschaffen – nicht nötig, es gibt ja den Mummelsee!

Weiter geht es entlang der Schwarzwald-Hochstraße. Sie ist immer präsent, entweder optisch oder akustisch, oder beides. So was von … *zensiert*

Dabei ist die Szenerie um mich herum vom feinsten – Grindengipfel, Moore, tiefe Täler unterhalb. Mein Gott, was so eine Straße alles kaputt machen kann! Von den Tagestouristen, die es geschafft haben, ihre Coladosen und Sunkisttüten einen Kilometer bis ins Naturschutzgebiet zu schleppen, sich dann aber wohl vor Erschöpfung außer Stande sahen, ihren Müll wieder zurück zum Protz-SUV zu tragen, will ich hier gar nicht weiter reden …

17:30 bin ich am Ziel in der Zuflucht. Ja, heißt wirklich so! Mein Dad erwartet mich schon. Ab zum gemütlichen Teil! Bier trinken, duschen, essen, … 😉


6. Etappe

15. Mai 2015 – von der Zuflucht zum Harkhof

Waldeinsamkeit !!!

Keine Bundesstraße in der Nähe, außer Wald fernab aller Straßen und Siedlungen stand heute nichts auf dem Programm. Traumhaft trotz Regen. Oder vielleicht gerade deshalb?

Über die theoretisch möglichen Aussichten hinunter in die Täler kann ich leider nichts berichten, denn: Ich laufe den ganzen Tag in den Wolken! (siehe Bilder)

Frühstück heute etwas später als gewohnt, denn ich bin gestern Abend recht ordentlich „verhockt“ … Erst mit meinem Dad, dann mit einem lustigen Haufen Motorradfahrern, und am Schluß – schon im Bett – nochmal mit meinem Dad.

09:20 Abmarsch im leichten Regen. Nach zwei Kilometern werfe ich doch den Poncho über, es ist definitiv besser. Weniger wegen dem tatsächlichen Regen, sondern wegen den dicken Tropfen, die von den klatschnassen Bäumen herunterkommen. Und wegen dem Wind.

Was für ein Kontrast zu gestern!

Keine Straße im weiten Umkreis, kein Feiertag und damit keine Tagesausflügler, selbst von den wenigen Fernwanderern wie mir haben ein paar heute früh die Flinte ins Korn geworfen, haben die heutige Etappe gestrichen und sind mit dem Bus weiter gefahren.
Weicheier! Warmduscher!! Beckenrandschwimmer!!!

Dabei war es wunderschön. Seltenste Begegnungen, nur der Wald und ich, und Wolkenfetzen, die sich durch den Wald schieben, einfach schön. Und sehr mystisch das ganze. Bei so einem Wetter sind die Sagen von Kobolden und Waldgeistern entstanden, nicht bei Sonnenschein!

Fast schade, daß ich schon um kurz nach 15:00 am Etappenziel bin, dem Harkhof. Ländliche Idylle im Nebel, Kühe, Geißen, Hühner, …
Der Wirt metzgert und imkert auch selber und brennt fünf Sorten Schnaps! Werde seine Produkte später noch einer ausgiebigen Qualitätskontrolle unterziehen müssen! 😉

Morgen steht die kürzeste Etappe an, ich kann eigentlich lang ausschlafen.


7. Etappe

16. Mai 2015 – vom Harkhof nach Hausach

Weit nach unten durch Nebel und Sonnenschein!

Gestern Abend klart es noch auf. Nach einem ganzen Tag in den Wolken völlig unerwartet. Zäh wie Honig fließt der Nebel ins Tal und gibt widerwillig den Blick vom Harkhof nach unten frei, fast ist es schon Nacht. Ein grandioser Ausblick!

Heute Morgen jedoch ist die Wolke wieder da und hüllt erneut den Harkhof ein. Und wie! Egal, erst einmal Frühstück mit meinen Kollegen von der Wanderfraktion und dann los. Heute verschluckt mich nicht der Wald, sondern zuerst die dicke Wolke. Dann zusätzlich der Wald.

Gespenstisch, mystisch, … schön!
Von oben immer wieder ein Strahl von Licht durch die dicke Suppe. Man merkt, wie dünn diese Nebelzone ist, aber wann hört sie auf?

Ganz genau um 11:23! Wie wenn man durch eine Tür gehen würde ist die Grenze durchschritten und die Sonne feuert ihre Strahlen durch den dichten Wald, der feuchte Boden dampft …
Eine halbe Stunde später strahlt es nur noch blau von oben, und ja, wirklich … nach und nach verschwinden meine Klamotten im Rucksack, bis ich wieder nur im T-Shirt unterwegs bin. Cool!
Tief, sehr tief geht es hinab ins Kinzigtal. Viel zu tief für meinen Geschmack, denn morgen muß ich aus diesem Tal wieder hinauf. Weit hinauf. Sehr weit! Auch wenn es bis zur Wilhelmshöhe nur 20 Kilometer sind … gute 1200 Höhenmeter sind auch für mich eine völlig neue Grenzerfahrung!

Hausach empfängt mich derweil herzlich, und völlig unerwartet treffe ich hier Sabine wieder, die sich gestern Abend noch ganz sicher war, hier kein Zimmer mehr zu bekommen. Na? Klappt doch! Morgen an der Wilhelmshöhe sollte dann eigentlich auch Martin wieder da sein. Sebastian bleibt leider seit unserem Treffen am Ochsenstall verschollen, aber er hat ja meine Mailadresse … *wink*

Und schlagartig wird mir klar, daß ich hier in Hausach nach drei Tagen zum ersten Mal wieder in einem richtigen Ort bin. Der dritte echte Ort auf der ganzen Tour bisher.

Laut, voller Menschen, voller Gewusel,  voller Lärm, … man gewöhnt sich schnell an die Abgeschiedenheit!

Es bleibt mir jetzt also nur, mich nach diesem faulen Tag in diesem lärmenden Kleinstädtchen weiterhin der Dessert-Karte zu widmen und alle Gedanken an den morgen anstehenden Gewaltmarsch erst gar nicht aufkommen zu lassen. Bis auf die positive Aussicht, ab morgen früh wieder für mindestens zwei Tage von allem Lärm und Menschenansammlungen verschont zu sein.

Das ist mir doch gern 1200 Hm wert ! Ich tu mein Bestes! Versprochen!


8. Etappe

17. Mai 2015 – von Hausach zur Wilhelmshöhe

BOAH … was war DAS denn ?

Welcher Vollpfosten hat denn diese Etappe geplant? Den wenn ich erwische …

08:45 Abmarsch in Hausach, erst gerade durch den Ort, aber dann geht es gleich steil hinauf zur örtlichen Burgruine. Und wie steil! Dann weiter bergauf, aber erträglich. Und dann weiter bergauf, unerträglich. Gefolgt von bergauf, mehr bergauf, etwas flacher bergauf und dann … ja genau: bergauf !

„Wie kann man denn so einen Berg bauen ???“ (Martin)

Irgendwann war ich dann aber doch oben am ersten Paß, es geht etwas gemütlich bergab, und danach (was auch sonst?) wieder bergauf. Und zwar steil!
Aber auch das meistere ich noch irgendwie. Denn danach geht es endlich wieder weniger bergauf und dann sogar wieder etwas bergab.
Und darauf folgt? Genau! Es geht zur Abwechslung mal wieder bergauf. Erst steil, dann etwas flacher und dann richtig steil. Und ganz am Schluß meine ich tatsächlich, es ginge eben weiter. Tut es nicht, es geht natürlich bergauf, aber das spielt jetzt ja schon gar keine Rolle mehr.

Und da ist sie, die Wilhelmshöhe! Mein Tagesziel! Warum das Ding so heißt? Ich habe keine Ahnung … 😉

Erst mal auf ein Weizen auf die Terrasse. Dann ins Zimmer. Dieses liegt im zweiten Stock, war ja klar! Alles andere hätte ja eine Inkonsistenz verursacht …

Fazit des Tages:
1228 Höhenmeter sind NICHT lustig! Und jünger werde ich ja auch nicht, heute schon gleich gar nicht 😉

Trotzdem – schön wars! Und wie! Aber jetzt gehört mir die Speisekarte! Ich habe nämlich vor, eine kulinarische Orgie zu veranstalten!


9. Etappe

18. Mai 2015 – von der Wilhelmshöhe zur Kalten Herberge

Durch Wälder und Wiesen – fast wie im Allgäu!

Wie sich doch die Landschaften ändern! Weit liegt der Grindenschwarzwald mit seinen kahlen Gipfeln hinter mir, der tiefe dunkle Tannenwald, der mich danach über Tage nahezu verschluckt hat, ist auch schon wieder Geschichte. Und nun geht es in einer bunten Mischung von Wäldern, Lichtungen und grünen Wiesen weiter. Relativ konstant auf gut 1000 Meter Höhe.

Gestern Abend gegen halb acht taucht Martin wieder auf! Er hat es von seinem Ausweichquartier in Haslach auch bis zur Wilhelmshöhe geschafft. Sabine hat er unterwegs getroffen, aber sie trifft nicht mehr bei uns ein. Wahrscheinlich hat sie sich ein Zimmer am Silberberg genommen. Sebastian dürfte heute schon wieder in der Arbeit sein, die zahlreichen Wanderer, die das (verlängerte) Wochenende für eine Teilstrecke des Westwegs ausgenutzt haben, sind seit gestern Abend auch alle Richtung Heimat gereist, und die Tagesausflügler vom Wochenende sind sowieso weg … und jetzt, nach dem Frühstück, verabschiedet sich auch Martin. Er läuft heute rüber nach Furtwangen und tritt von dort die Heimreise nach Ludwigshafen an, nach Pfingsten will er wiederkommen und weitermachen.

Ja, es wird sehr ruhig auf dem Westweg. Gerade zwei bekannte Gesichter sind noch auf der gleichen Etappe wie ich unterwegs. Sonst sieht man keinen großen Rucksack mehr.

08:50 Abmarsch an der Wilhelmshöhe. Ein Tag wie aus dem Bilderbuch! Die Sonne strahlt durch die Bäume, dabei ist es angenehm kühl – das perfekte Wanderwetter! Vergessen sind die Mühen und wüsten Flüche von gestern. Der Weg verläuft in fast sanftem Auf und Ab auf dem Höhenrücken, mehr oder weniger immer auf der europäischen Hauptwasserscheide von Rhein und Donau. Der Rhein ist nah, die Donau weit, und genau so gestaltet sich die Landschaft: Steil geht es nach Westen hinunter ins Rheintal, sanft fallen die Hügel nach Osten hin ab. Mir kann es egal sein, ich bleibe heute oben. Gerade einmal 200 Meter liegen zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt meiner Etappe. Und gerade einmal 416 Hm zeigt der Höhenmesser am Tagesziel, der „Kalten Herberge“. Peanuts!

Unterwegs zwei wahre Highlights!

Erstens die Donauquelle. Hier, inmitten von Wiesen und Matten beim Kolmenhof und der Martinskapelle entspringt die Breg, der längere der beiden Quellflüsse der Donau, und ab hier werden auch ganz offiziell die Streckenkilometer bis hinunter zum schwarzen Meer gezählt. Irgendwie witzig, wenn man hier vor diesem kleinen Rinnsal steht und weiß, zu was es sich im weiteren Verlauf entwickeln wird. Kaum vorstellbar!

Weiter geht es durch die Wälder, über Lichtungen und immer wieder über Wiesen an einsamen Bauernhöfen vorbei zum Brendturm.
Der Brend ist der höchste Punkt für heute und vom Turm hab ich einen grandiosen Panoramablick bis hinüber zum Feldberg. Oben an seinen Nordhängen vom liegt noch Schnee! Das Gasthaus direkt am Turm hat geöffnet, ich hab ziemlich genau die halbe Tagesstrecke geschafft … Zeit für eine kleine Zwischenbelohnung!

Weiter gehts durch strahlendes Licht und kühlen Schatten ganz gemütlich bis zur Kalten Herberge. Angeblich soll hier im 19. Jh. ein Handwerksbursch im Juni auf der Ofenbank erfroren sein. Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber … „kuschlig“ ist es hier auf 1025 Meter definitiv NICHT!

OK, 20:31, Zeit für die Dessertkarte ! 😉


10. Etappe

19. Mai 2015 – von der Kalten Herberge nach Titisee

Mein letzter Tag auf der Originalroute des Westwegs. Morgen werde ich auf den Querweg abbiegen, der von Konstanz über den Schwarzwald hinüber nach Freiburg führt.

Gestern Abend noch nette Leute kennengelernt: Vier Reiter, die hier in der Gegend einige Tage mit ihren Pferden unterwegs sind. Der Abend wurde also wieder einmal viel länger, als geplant …

Um kurz nach acht bin ich beim Frühstück, der Blick nach draußen deckt sich mit dem Wetterbericht. Grau zugezogen, kalt, windig, ganz leichter Regen.
Standardausrüstung also – T-Shirt, Jacke, Mütze … fertig.
Um kurz vor neun verabschieden sich nun auch die letzten zwei „aufrechten“ Westweg-Wanderer zu ihrem Tagesziel Hinterzarten. Wir werden uns an meinem Ziel in Titisee also nicht mehr treffen.

Neun Uhr, und ich bin auch wieder unterwegs. Wieder einmal ein Stück entlang der Schwarzwald-Hochstraße, die ich mittlerweile so richtig zu hassen gelernt habe … Zum guten Glück biegt der Weg aber bald ab, und ich bin wieder im Wald. Schön! Landschaftlich so wie gestern, aber die Wolken hängen tief, sehr tief! Tiefer, als der Weg … an großartige Aussichten ist heute wohl nicht zu denken. Sorry, das gibt heute nicht viele Photostops !

Der Weg verläuft unspektakulär, der angeblich großartige „Blick auf Breitnau“ von der Weißtannenhöhe entfällt, ich stehe in der Wolke. Und jetzt hinunter nach Titisee. Immer bergab, die Lekis sind tapfer im Einsatz.

14:00 in Titisee. Genauso schlimm wie befürchtet. Wie am Mummelsee, nur viel größer …
Die Amis schleppen ihre Einkaufstüten mit den Cuckoo-Clocks durch die Fußgängerzone, die Japaner photographieren buchstäblich jeden einzelnen Pflasterstein und bei den Chinesen ist es wohl derzeit Pflicht, einen Regenschirm mit Klemmhalterung für das Smartphone an der Spitze zu besitzen. Ein multifunktionaler Selfiestick, quasi …
Und überhaupt, welcher Irre hat eigentlich diese Plüsch-Mützen in Form einer Kuckucksuhr erfunden ??? Geht’s noch ???

Selbst unter den deutschen Tagestouristen bin ich als reiner Fußgänger mehr als auffällig – der Großteil ist hier mit dem Rollator unterwegs …

Am liebsten hätte ich hier jetzt so eine Art „Hartz-4-Kneipe“: ENDLICH NORMALE LEUTE !

Mein Drang, eine halbwegs „normale“ Lokalität zu finden, um irgendwie gemütlich den Abend zu verbringen, hat mich in meiner Verzweiflung zum Bahnhof geführt. Aber selbst dort erwartet einen hier in Titisee – im besten Schicki-Micki-Stil – nicht die berüchtigte Bahnhofskneipe, sondern ein Café-Bistro mit veganen „Spezialitäten“! Ich weiche also auf den Italiener gegenüber aus. Ganz OK !

Und jetzt hab ich sie doch noch gefunden! Eine ganz normale Kneipe! Und es darf geraucht werden! Cool! Der Abend ist gerettet!

Nur gut, daß ich zu Fuß unterwegs bin, denn der „Parkplatz“ direkt vor der Tür ist ja bereits belegt … (siehe letztes Photo)

ICH WILL HIER WEG !!!


11. Etappe

20. Mai 2015 – von Titisee nach Buchenbach

Durch Regen und Wolken, über tiefen Schluchten und höllischen Tälern!

Wieder deckt sich der Blick aus dem Fenster beim Frühstück mit der Wettervorhersage: Leichter Regen, der Himmel grau verhangen, die Wolken tief. Abmarsch um 20 nach neun. Am besten gleich den Poncho überwerfen, obwohl das im Moment eigentlich völlig übertrieben ist. Aber wer weiß, was kommt …

Und, richtig, keine 20 Minuten später nimmt der Regen zu, ich bin froh, daß jetzt schon alles einschließlich mir sicher im Trockenen ist.

Steil geht es nach oben, dann gemütlich gerade weiter. Die Aussichten auf den See entfallen mal wieder.

Nach dem Paß wieder hinunter nach Hinterzarten, durch den Ort, danach noch etwas weiter hinunter, bis am Eingang zur Ravennaschlucht der unvermeidbare Aufstieg beginnt. Steil, lang! Der Regen läßt nach, aber die dicken Tropfen von den Bäumen bleiben mir natürlich erhalten. Und immer noch steil bergauf. Ein erster Aussichtspunkt ist beschildert … und ich sehe … NICHTS!
War ja zu erwarten.

Dafür steht plötzlich und völlig unerwartet ein kapitaler Gamsbock vor mir. Keine 30 Meter weg. Ist das ein Riesenvieh! Wunderschön.
Das sind die Momente, die ich auf meinen Wanderungen so liebe. Pfeif‘ auf das schöne Wetter!
Er hat mich immer noch nicht gesehen, aber wohl bemerkt, denn er wittert auffällig in meine Richtung. Ich stehe wie versteinert auf dem Weg, um ihn ja nicht zu verscheuchen. Sieht er mich wirklich nicht? Tatsächlich! Meine Wanderausrüstung, seit Jahren eine Mischung aus camouflage, grau und olivgrün bewährt sich einmal mehr. Man sieht einfach mehr, wenn man sich unsichtbar macht!
Irgendwann passiert es … ich muß niesen, kann es nicht mehr unterdrücken … weg ist er. Weg, wie ein geölter Blitz!

Und so langsam brechen die dicken Wolken etwas auf, unter und über und in denen ich mich hier oben bewege. Weit, weit unten grummelt monoton der Verkehr auf der B31 vor sich hin, und jetzt werden erste kurze Ausblicke möglich, vom Posthaldefelsen z.B., zu dem ich so oft von unten hinaufgeschaut habe, wenn ich selber mit dem LKW unterwegs war nach Freiburg.
Weiter gehts immer oben am Kamm über dem Höllental und dem Hirschsprung, und dann … ja tatsächlich, die Wolken geben einen kurzen Blick frei bis hinunter nach Freiburg, meinem Endziel der ganzen Wanderung.

Den Poncho hab ich mittlerweile wieder eingepackt, es bleibt trocken und nachdem ich die mühsam aufgebauten Höhenmeter genauso mühsam wieder abgebaut habe, stehe ich um 15:30 vor meinem Quartier, dem Gasthof Adler in Buchenbach.


12. Etappe

21. Mai 2015 – von Buchenbach nach Freiburg

Wieder bei bestem Wanderwetter unaufhaltsam und spürbar der Zivilisation entgegen!

Das Frühstück im Gasthof Adler in Buchenbach fällt üppig aus. Ich bin wohl der einzige Übernachtungsgast heute, trotzdem fährt man für mich das volle Programm auf. Viel zu viel! Ich spachtle also – völlig unvernünftig – wie ein Weltmeister, aber heut kann ich es mir leisten. Die letzte Etappe nach Freiburg ist mit 17 km wirklich kurz, der Anstieg überschaubar, und so kann ich die feine Balance zwischen „zu viel“ und „zu wenig“, die sich seit mehr als einer Woche Tag für Tag immer mehr eingependelt hat, heute gern ignorieren.

Raus aus Buchenbach geht es gefühlt immer flach, immer am Nordrand des Dreisamtals entlang, aber auch immer unten im Tal. Und immer entlang oder auf kleinen Straßen, meistens auf Asphalt – völlig ungewohnt also, und wie schon so oft: Anstrengend! Der menschliche Bewegungsapparat mag ganz einfach keine monotonen Bewegungsabläufe. Und auf Asphalt ist halt jeder Schritt gleich. Dabei geht es hier sogar bergab! Von Buchenbach bis zum Eingang des Welchentals zeigt mir der Höhenmesser genau 100m Verlust an. Kann das stimmen? Ja. Stimmt. Die SRTM-Daten sagen das gleiche. Realität und subjektive Wahrnehmung, ich weiß, ich weiß, …

Nach 7 km zweigt der Weg nach rechts ab ins Welchental. Weg von den Straßen, weg von den Häusern, ein letztes mal hinein in den Wald, der für fast 12 Tage mein einziges Umfeld war, der mich regelrecht verschluckt und assimiliert hat, mit dem ich fast eins geworden bin. Ein letztes Mal also.

Und ein letzter Aufstieg. Kein hoher, kein steiler, aber immerhin! Wie ein letzter Gruß.

Der Trainingseffekt der letzten 11 Tage ist nicht zu verleugnen, fast schon mit Genuß marschiere ich die letzten 200 Hm nach oben, bis zum Paß bei der Wendelinskapelle.

Von nun an gehts bergab, immer weiter runter, über St. Ottilien bis zum Kanonenplatz direkt über den Dächern von Freiburg und direkt vis-a-vis zur Spitze des Freiburger Münsters. Den restlichen Abstieg in das lärmende Gewusel, das deutlich von unten heraufschwappt, verzögere ich ganz gekonnt und professionell im Biergarten Greifenegg. Aber auch das hat einmal ein Ende, und so stehe ich um Punkt 16:23 am Schwabentor in Freiburg.

Ende !

Am Ziel !!

Alles geschafft !!!

Aber … was mache ich jetzt ???


Nachgedanken

Es ist also wieder einmal geschafft! Knapp 235 km auf dem Schwarzwald-Hauptkamm liegen hinter mir, durch dunkle Wälder, einsame Moore, liebliche Täler und über kahle Gipfel. Nur ganze fünf „echte“ Ortschaften habe ich auf der ganzen Route bis zur letzten Etappe durchquert. Waldeinsamkeit mitten in Deutschland, immerhin eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas. Eine beeindruckende Erfahrung von Abgeschiedenheit und ursprünglicher Schönheit direkt vor der Haustür!

Freiburg hat mich empfangen, wie erwartet (und auch befürchtet …): Groß, laut, voll, und natürlich mit den sprichwörtlichen fünf Grad mehr auf dem Thermometer, als im Rest der Republik.
Meine Stadtbesichtigung am letzten Tag fällt relativ kurz aus. Ein kleiner Spaziergang durch die Altstadt, zum Münster und durch den Markt.
Hier eine Art „Schlüsselerlebnis“:
Ein Lkw-Fahrer schiebt seinen Hubwagen auf die Ladebordwand, es scheppert ordentlich. Klar, kenn ich ja dieses Geräusch. Tägliche Erfahrung in meinem Job. Normalerweise nehme ich es gar nicht mehr wahr.
Aber hier und jetzt – ich habe das Gefühl, mir platzt das Trommelfell!
Kann das sein? Gewöhnt man sich so schnell an eine andere akustische Umgebung? Filtert unser Gehirn tatsächlich so effektiv? Und was heißt das im Umkehrschluss? Kann ein Tagesausflügler aus der Stadt wirklich all das hören, das ein einsamer Wanderer nach Tagen im „Nichts“ alles wahrnimmt?
Fragen über Fragen. Ich entziehe mich also erst einmal wieder dem ganzen Stadtlärm und fahre (ja, tatsächlich!) mit der Standseilbahn hinauf zum Schlossberg, drehe eine Runde bis zum Schlossbergturm und lande auf dem Rückweg wieder im Biergarten Greiffenegg. Und dann fahre (!) ich mit dem Aufzug wieder hinunter. Witzig!
Und jetzt – Markus, sei kein Frosch, das Nachtleben wartet! Wirklich? Echt? Muß ich?
Ach ja, geht schon. Nicht zu viel, nicht zu lang, aber es geht!
Morgen gehts nach Hause. Mit vielen Gedanken über das Erlebte und Plänen für die nächste Tour. Definitiv mehr Gedanken als Schmutzwäsche im Gepäck!
Ein Stück weit ist er mir fremd geblieben, der Schwarzwald. Dieses heimelige Gefühl, das sich bei meinen Touren der letzten Jahre immer ganz selbstverständlich eingestellt hat, dieses Mal blieb es aus. Aber … den Schwarzwald mit Schottland vergleichen … nein, das geht nicht, ich weiß, ich weiß, …
Aber, um Deutschland einmal ganz anders zu erleben, dazu muß man diese Tour wirklich gemacht haben. Es sei jedem von ganzem Herzen empfohlen!
Meine Erwartungen hat der Schwarzwald jedenfalls weit übertroffen!